Tränen, Trauer, Angst und Verzweifelung, aber auch Hoffen und Beten prägen diese Stelle. Fast ein gesamtes Dorf liegt in diesem eingezäunten Waldstück begraben. 400 Menschen aus dem nahegelegenen Dorf Leiberg wurden 1635 innerhalb weniger Monate von der Pestseuche hinweggerafft.
Der "Schwarze Tod" vernichtete in kürzester Zeit fast sämtliches Leben in Leiberg. Nur wenige überlebten.
Ein Mönch aus dem Raum Warburg soll 1635 während des 30jährigen Krieges (1618 -1648) die fürchterliche Krankheit ins Dorf Leiberg eingeschleppt haben. Die Seuche, der in jenen Kriegsjahren (mit mit Hungersnot, plündernden Soldatenhorden aus vielen fremden Ländern, Brandschatzungen und zerstörten Feldern) etliche tausend Menschen in Westfalen zum Opfer fielen, griff auch in den engen Gassen in Leiberg rasch um sich und hielt fürchterliche Ernte.
Weit außerhalb des Dorfes zimmerte ein Lubbert Schumaker im nahezu unbewohnten Tal die Särge für seine toten Mitbewohner und sargte 400 Menschen ein.
Eine Tragödie für Leiberg.
Der Wünnenberger Friedhof auf dem bisher die Verstorbenen aus der Tochterpfarre Leiberg (besaß keinen eigenen Friedhof) beerdigt wurden, vermochte die vielen Toten nicht aufzunehmen. Auch die Furcht vor Ansteckung und Übertragung dieser unheilbaren Krankheit machte die Suche nach einem besonderen Begräbnisplatz für die Leiberger Pesttoten erforderlich.
So erinnerten sich die leiberger in der Not jenes kleinen Dorfes Fornholte ("fern im Holz"), das Ende des 14. Jahrhunderts in den blutigen Wirren der Bengeler Fehde zur Raubritterzeit mit vielen anderen Dörfern unserer Umgebung wüstgefallen war.
Etwa drei Kilometer von Leiberg entfernt fanden die Pesttoten in geweihter Erde ihre letzte Ruhe. Immer wieder begleiteten trauernde, verzweifelte Angehörige ihre verstorbenen Lieben auf dem Todeskarren zu diesem Friedhof.
Betet für die armen Seelen!
Lubbert Schumaker, der auf dem heutigen Bartholomäusplatz in Leiberg unter der Linde die vielen Holzsärge zimmerte, stiftete später für diesen Pestfriedhof ein Steinkreuz. Das "Pestkreuz" bezeugt in Wort und Schrift die Pesttragödie von Leiberg.
Das Schreckensjahr 1635 mit angeblich nur sieben Überlebenden wirkt bis in die Gegenwart nach. Jährlich zu Pfingsten führt eine Prozession aus Leiberg zum Pestfriedhof nach Fornholte, um damit ein Gelübde der Urväter zu erfüllen, die in ihrer Verzweifelung ein Ende der todbringenden Pest bei unserem Herrgott erfleht hatten.
Auch die in Leiberg hochgeschätzte Bartholomäusverehrung wird mit dem Ende der Pest in Verbindung gebracht. der Bartholomäustag am 24. August (im Leiberger Plattdeutsch "Battelmai" genannt) gilt in Leiberg bis heute als lokaler Feiertag.
Das untergegangene Dorf Fornholte nahe einer Wallburg war entweder eine sächsische Kleinsiedlung oder aber eine fränkische Ansiedlung zur Zeit Karls des Großen (768 - 814), der zum Ausgang des achten Jahrhunderts nach Unterwerfung der heidnischen Sachsen 794 n. Chr. in der Schlacht auf dem nicht weit entfernten Sintfeld das Christentum in diesen Raum brachte.
Unser Dorf Fornholte erlebte seine Blütezeit im Früh- und Hochmittelalter mit der Ansiedlung mehrerer großer Höfe. So sind noch heute links und rechts des Waldweges, der zum Pestfriedhof führt, Reste eines Wölbeackersystems zu erkennen.
Auf dem podestähnlichen Hügel, auf dem heute das Holzkreuz steht, rief einst eine Kapelle die Christen aus Fornholte zum Gebet. Als Kapellenpatron gilt der Heilige Bartholomäus. So dürften die Wurzeln seiner traditionellen Verehrung in Leiberg über die Pestzeit hinaus bis ins Mittelalter führen. Fornholte bildete keine eigenständige Pfarrei, sondern war Filialpfarre der St.-Johannes-Gemeinde im Dorf Andepen, das als Vorläuferdorf in der Talaue des heutigen Leiberg mit Fornholte 1390/91 durch Friedrich von Padberg zerstört wurde. 100 Jahre später gründete Johan Graf von Westphalen 1490 das heutige Dorf Leiberg.
Die traurigen Ereignisse von 1635 in Leiberg und der kleine Pestfriedhof mit dem steinernen Pestkreuz auf dem Boden des zerstörten Fornholte rund um die ehemalige Bartholomäuskapelle mahnen die Lebenden und erinnern an die Vergänglichkeit unseres irdischen Lebens.
Wir bitten um ein stilles Gebet!
Leiberg, zu Pfingsten 1995
360 Jahre nach dem Pestjahr