Die fruchtbare Talaue der Afte und Olveke ermutigte schon den germanischen Volksstamm der Marsen und nach der Völkerwanderung die sächsischen Engern, sich mit ihren Familien und Sippenverbänden in Gehöftgruppen oder einer Kleinsiedlung auf dem trinkwasserreichen Boden am Fuße des „Lehbergs“ im Haupt- und Nebental (Empertal) niederzulassen. Spätestens für das neunte Jahrhundert ist in der Talaue das sächsische Dorf Andepen bezeugt, das zur Zeit Karls des Großen (768 - 814) christianisiert wird. Doch dieses Dorf mit Mühle, Brücke und eigener Pfarrkirche ereilt 1390 oder 1391 wie so viele Orte rund um das Sintfeld ein furchtbares Schicksal: Mehr als 28 Raubritter um ihren Anführer Friedrich von Padberg schließen sich im Kampf gegen den Paderborner Fürstbischof zum gefürchteten „Bengelerbund“ zusammen und vernichten mordend, plündernd und brandschatzend blühende Landstriche. Auch Andepen wird nach jahrhundertelanger Geschichte vollends zerstört.
Etwa 100 Jahre später wagen die Grafen von Westphalen eine Neugründung: Mit Urkunde vom 30. April 1490 besiedelt Johann Graf von Westphalen die Hochebene des „Leyberchs“ und gründet unser Dorf Leiberg. Nach den bösen Erfahrungen der blutigen Ereignisse Ende des 14. Jahrhunderts bleibt vorerst die Talaue weitgehend unbesiedelt: Allenfalls ein oder mehrere Mühlräder mahlen das Getreide der Leiberger Bauern. Möglicherweise riskieren auch einige Einzelhöfe eine Niederlassung auf altem Andeper Boden, doch der neue dörfliche Siedlungsschwerpunkt liegt „hoch oben auf dem Berg“.
Im Leiberger Schreckensjahr 1635 mit 400 Pesttoten wird die Talaue erneut zum traurigen Schauplatz einer großen Tragödie: Unter der Linde (Pestlinde) auf dem heutigen Bartholomäus-Platz zimmert Lubbert Schumaker die Särge für die Opfer des „Schwarzen Todes“. Wegen der großen Ansteckungsgefahr sargen die verzweifelten Leiberger ihre Pesttoten weitab des Dorfkerns ein, um sie anschließend auf dem Totenkarren zum Pestfriedhof in das ehemals mittelalterliche Dorf Fornholte (zusammen mit Andepen wüstgefallen) im Leiberger Hochwald zur letzten Ruhestätte zu begleiten.
Am 6. Mai 1726 sucht erneut ein großes Unglück das Dorf Leiberg heim: Ein Großbrand äschert nahezu den gesamten Ort ein. In den engen Gassen findet das Feuer nach einem Blitzeinschlag in den frühen Abendstunden reiche Nahrung: Auch die kleine Johannes-Kapelle (1703 gebaut) übersteht die Feuersbrunst nicht. Der mächtige Paderborner Fürstbischof Clemens August von Bayern (1719 - 1761), der auch Erzbischof von Köln sowie Bischof von Hildesheim, Münster und Osnabrück ist und 1732 Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens wird, nimmt den Leiberger Großbrand zum Anlaß, um eine Wiederbesiedelung der Talaue im „Bruch“ auf dem „Platz oben und unten der Mühlen“ per Staatsbefehl anzuordnen.
So schlägt mit der fürstbischöflichen Verfügung vom 16. Juli 1726 die Geburtsstunde des Leiberger „Bruchs“, das mit dem Wittelsbacher Clemens August von Bayern, ein Bruder des späteren Kaisers Karls VII., einen berühmten Geburtshelfer findet. 20 Familien geben alsdann ihre Hofstelle im ausgebrannten Dorfkern auf und siedeln talwärts ins „Bruch“ hinab. Die Bauernfamilien ziehen entweder freiwillig oder nach Losentscheid in den neuen Leiberger Siedlungsbereich. Dabei gilt vielfach auch das Prinzip, daß die jüngeren Hofstellen den älteren weichen müssen. Diese 20 Familien gehören zu den Gründern des Leiberger Bruchs: Friedrich Lünemann, Wilm Scheiffers, Astmon Stuck, Steffen Laudagen, Johan Henrich Müllers, Adam Hoetkers, Lubbert Höetkers, Thomaß Happen, Witwe Herman Nöleken, Witwe Henrich Schmidts, Johan Henrich Füser, Stoffel Füser, Thönniß Meyer, Jost Dierich Knaup, Johan Thonieß Grewen, Johan Hillebrandt, Johan Jürgen Dickman, Grolmuß Briler, Menolff Köllers und Berndt Köller.
Zwei Schicksale dieser 20 Familien bewegen die Menschen jener Tage im besonderen Maße. So muß sich Friedrich Lünemann als Leiberger Steuereintreiber in der bischöflichen Kanzlei in Schloß Neuhaus dem bösen Verdacht der Steuerhinterziehung widersetzen, weil die Behörden seinen Beteuerungen, die vor dem Feuerausbruch eingesammelte Leiberger Steuerschuld für zwei Jahre (30 Taler) sei verbrannt, zunächst nicht glauben. Erst als sich auch der Drost und der Rentmeister von Wünnenberg für Lünemann und Leiberg verwenden, bleibt dem verarmten Dorf eine erneute Steuerzahlung erspart. Großzügig zeigt sich Junggeselle Johan Henrich Füser, der nach seinem Tod 1730 der Gemeinde für den Bau einer neuen Kapelle 100 Taler vermacht.
In den folgenden Generationen wachsen die beiden Siedlungen „Dorf“ und „Bruch“ siedlungspolitisch zusammen. An der Nahtstelle finden die Verstorbenen des Dorfes Leiberg auf dem 1827 bewilligten Friedhof ihre letzte Ruhe. Ursprüngliche Pläne, in Friedhofsnähe auch die neue Pfarrkirche zu bauen, werden zugunsten des heutigen Standortes verworfen.
Erst in der Neuzeit des 20. Jahrhunderts greift die Siedlungsbewegung im „Bruch“ auch auf die Südseite der Afte am „Försterberg“ über. Nach dem II. Weltkrieg (1939 - 1945) finden am Försterberg viele heimatvertriebene Menschen aus den deutschen Ostgebieten eine neue Bleibe. Seit 1975 entsteht am Nollen nahe der ehemaligen Andeper Kirchstelle eine Blockhaussiedlung. Auf dem Boden des mittelalterlichen Dorfes Andepen setzt im Empertal in 1984 eine rege Bautätigkeit zur Anlage einer neuen Wohnsiedlung ein.
Das „Bruch“ ist für Leiberg das „Tor zur Welt“, weil jahrhundertelang die wichtigsten Verkehrsachsen durch die Talaue führen. Die „alte Chaussee“ (1833 gebaut) und die heutige Talstraße (1859/60) verbinden Büren und Marsberg. Bis Ende 1920 verkehren Postkutschen zur Personenbeförderung durch das Aftetal mit einem Leiberger Haltepunkt im Bruch, bevor am 1. Januar 1921 der Kraftwagen-Personenverkehr das Postkutschen-Zeitalter in Leiberg beendet. Der 1913 geplante Bau einer Eisenbahnstrecke Büren-Marsberg mit einem kleinen Bahnhof im Leiberger Bruch scheitert am Ausbruch des I. Weltkrieges. Auch moderne Technologien wurzeln im Bruch: So erblickt der bekannte deutsche Röntgenforscher Dr. Anton Rörig Heiligabend 1852 in der Leiberger Mühle das Licht der Welt, _ und der Bau des Transformatorenhäuschens nahe der Aftebrücke leitet 1922 das Stromzeitalter in Leiberg ein.
Gott segne Leiberg, Gott segne das „Bruch“!
Leiberg, im Frühjahr 1997